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Eine Geschichte

Shari

Hauskatze
Wer will mich ...


Der Sommer war längst vorbei und auch der Herbst, mit seinen wunderschönen Farben schien schon zu enden.

Nun begann die graue, kalte Jahreszeit. Dicker Nebel versteckte die Sonne. Die Menschen liefen vermummt in Mäntel und Tücher und Jedermann war froh zu Hause zu sein, wo es wohlig warm und gemütlich war.
Schnee war noch nicht in Sicht und so wechselten Stürme und Regen einander ab.

Wie gesagt, jeder war froh zu Hause zu sein; bei seiner Familie.

Aber da gab es Jemanden; dieser Jemand war alleine, in der Nässe ? in der Kälte.
Dieser Jemand war ein Kätzchen. Fast noch ein Baby. Ein Katzenmädchen ohne Namen mit schwarzem Fell.
Im letzten Frühling war es zur Welt gekommen und hatte noch zwei weitere Geschwister. Eines Morgens ging die Frau Mama mit ihren Babys spazieren und da das schwarze Mädchen ein ganz besonders neugieriges Ding war, blieb es länger als gewöhnlich bei einem Teich sitzen, um die darin wohnenden Goldfische zu beobachten.

So kam es eben, dass sie ihre Familie nicht wieder fand.

Aber keine Angst, jeder der Katzen ein wenig kennt, weiß, dass sie auch alleine recht gut zurecht kommen.

Im Spätsommer machte sich das Kätzchen keine Gedanken wie alles weitergehen soll ? auch im Herbst noch nicht. Irgendwo fand es immer zu essen, Außerdem hatte sie einen Platz gefunden, da wurde es regelrecht verwöhnt. Da waren einige Damen einer Firma, die es mit Dosenfutter verpflegte und es dafür aber unbedingt streicheln wollten.
"Also wirklich ? ich lasse mich doch nicht von jedem anfassen" so dachte die kleine Dame und hielt genau soviel Abstand, dass man sie nicht erwischen konnte.

Aber seit letztem Dienstag, da war alles anders.
Es hatte ganz plötzlich zu schneien begonnen, der Wind pfiff um die Hausecken und die Fische im Teich waren auch nicht mehr zu sehen. Sogar die netten Damen hatten das Kätzchen scheinbar vergessen.

So war der Jammer sehr groß.
"Was mach ich nur, was mach ich nur" fragte sie sich.
"Ich muss mal sehen, ob ich nicht einen Menschen finde, der sich um mich sorgt und der mit mir wohnen möchte. Mal sehen- miau ?vielleicht hab ich Glück".

So vergingen einige Tage und unser Kätzchen hat sich, von seinem Versteck aus, schon einige Personen auserwählt.
Da gab es zum Beispiel einen alten Herren mit Stock, der täglich seine Runden spazieren ging. Doch der gefiel dem Kätzchen nicht, denn er beachtete sie gar nicht, wenn sie mit erhobenem Schwanz ein paar Schritte herumstolzierte.

Von der Ferne aus betrachtet wäre da auch noch eine sehr schöne Dame in Frage gekommen. Aber mit ihrem ewigen ?muzi, muzi, komm her mein Schatzerl? ging sie dem Kätzchen schon sehr bald auf die Nerven. ?So etwas Aufdringliches? dachte sie sich da nur und kam am folgenden Tag gar nicht erst aus ihrem Versteck.

Ansonsten gab es niemanden, der es Wert gewesen wäre, für ihn auch nur die Pfote ins Freie zu setzen.
Abgesehen vielleicht von dem kleinen Jungen, der so gerne Steine ins Wasser schmiss.
"Aber nein" sagte das Kätzchen zu sich selbst. "Viel zu laut, viel zu grob und er würde mir sicher nicht gehorchen. Nein, da bleib ich lieber hier und friere".

Wieder vergingen einige Tage und das Katzenmädchen kam sich immer verlassener vor. Es fror fürchterlich und sein schöner Pelz war schon ganz verschmutzt.

"Den nächsten, den nehme ich, aus basta. Kann kommen wer will". So dachte es, setzte sich zitternd an den Rand der Teichanlage und wartete. Den ganzen Tag.

Als es Abend wurde kam auf einmal mit polternden Schritten und lautem Gegröhle der kleine Junge angerannt.
Er blieb vor dem Teich stehen und begann Steine zu sammeln und ins Wasser zu werfen. Das Kätzchen sah er gar nicht.

"Mauz, mauz, he du Junge, sag mal siehst du mich nicht?" schrie die Kleine. "Hör doch mal zu lärmen auf und hol mich"

Der Bub hielt plötzlich inne und ließ den Stein aus der Hand fallen. "Was war das denn?"
"Na was schon! ICH. Komm hier her; auf der Stelle rettest du mich aus meinem Elend!!
!He, eine Babykatze. So eine kleine hässliche. Na komm her Katzi, komm" rief der Junge.
?Also dass ist doch allerhand?! fauchte die Katze ?Frech ist der, miau, sehr frech, dem wird ich es noch zeigen?.

Da die Katzen und die Menschensprache jedoch sehr verschieden sind, verstand der Bub die Katze allerdings nicht, denn so klug wie Katzen, sind wir Menschen eben nicht.
"Mutzi, ich bin der Mario, komm schon her, ich nehme dich mit. Du frierst doch sicher. Und wie dünn du bist. Meine Mama wird sich sicher auch freuen".

"OK!" dachte sich die Kleine "wenn es auch eine Mama gibt".
So ging sie ganz elegant zu dem Jungen und strich ihm sanft um die Beine.
Mario nahm sie hoch und bettete sie in seine Haube, welche er sich sofort vom Kopf nahm.

Zu Hause angekommen, riss Mama vor "Begeisterung" nur die Augen und den Mund auf. "Sag mal Mario, was bringst du denn daher. Wir können doch keine Katze gebrauchen".
"Mama, bitte, bitte, bitte. Schau, wie arm die Katze ist. Sie zittert. Mama, bitte!"
Und da die Mamaeben eine gute Mama ist, sah sie zuerst die Katze an und dann ihren Sohn.
Dieser natürlich setzte seine unwiderstehliche Lieblingssohn Miene auf .. und gewann .. natürlich.

"Also gut mein Schatz, du hast gewonnen. Hol ein Handtuch aus dem Bad und Milch aus der Küche".
Als das Kätzchen abfrottiert war, warme Milch getrunken und Hühnerfleisch, das vom vorbereiteten Abendessen abgeteilt wurde, rollte es sich behaglich auf Marios Kopfkissen zusammen und schnurrte.

* * *

"Mario wie stellst du dir das vor?" fragte die Mama.
So ein Kätzchen ist eine Verantwortung. Du kannst doch nicht einfach ein Tier von der Straße mitnehmen. Wir haben doch kein Tierheim. Reicht nicht schon der Hamster , das Aquarium und die Schildkröte ??

"Mama, ich sag dir was" (das war Marios Lieblingssatz, wenn es um etwas Wichtiges ging) "schau, hätte ich diese arme kleine Babykatze vielleicht in diesem Regen draußen lassen sollen ? Niemand hat sich um sie gekümmert. Sie wäre sicher erfroren oder verhungert. Hm, Mama, das geht doch nicht."

Das wirkte. Mama liebte nämlich Katzen genau so wie ihr Sohn.
"Wie soll sie denn überhaupt heißen, die Kleine?"
Ein Jubelschrei hallte durch das Wohnzimmer.
"Juhuuuu, du bist die beste Mama auf der Welt!" Mario sprang seiner Mama auf den Schoß und küsste sie auf beide Wangen, die Stirne , die Haare und wollte gar nicht mehr aufhören.

* * *

Zirka 23.00, oder Mitternacht.
Stille.
Dunkelheit.
"Gurrrr, guuuurrrr .. schnurr .. mauz ? he, was ist los hier .. he, ihr Menschen, seid ihr weg, oder was .. ich kenne mich gar nicht aus.
Mal nachschnüffeln. Schnupper .. oh wie weich .. und duftet .. nach Menschen .. jaaaa das ist doch mein Lebensretter .. der Mario .. he Mario aufstehen!! Miauuuuuuu- miauuuuuuuu . .. hörst du nicht ?"
Wie von einer Wespe gestochen, fährt Mario auf und steht plötzlich neben dem Bett. "Was ist das !? Ein Gespenst ! Mama Hilfeee. Mama komm bitte, Mama !!"
"Miau! Na mach kein Theater, ich bin es doch nur. Ich langweile mich."

Mama kommt eilig ins Kinderzimmer um nachzusehen warum der "Kleine" so einen Aufstand macht.
Dann muss sie lachen. "Mario, was für ein Geschrei, wegen einer kleinen Mietzekatze!"
Mario, der die Katze im Halbschlaf offenbar vergessen hatte, war ein wenig verlegen. "Mama, das hab ich doch gewusst, dass das die Katze war. Ich wollte nur sehen ob du gleich kommst, wenn ich rufe."

Mama setzt sich also zu Mario auf das Bett. Beide beobachten das neue Familienmitglied.
Katzenkenner werden wissen was jetzt kommt und was ein "furioser Katzenfanfall" ist; dieser ist ganz normal und kommt tagsüber öfter vor. Da gibt es für die Fellbündel keine Schranken und Hindernisse. Es gelten keine Mahnungen, Verbote oder ähnliche Unsinnigkeiten. Von einem Moment auf den anderen verändert sich das ansonsten so zärtliche Schmusetier zum Monster. Pupillen werden riesengroß, es werden Urlaute ausgestoßen.
Die kleinen. Oder schon größeren Wilden zischen über Tische, Stühle, hängen auf Zimmerpflanzen, Fensterbänken, Regalen, oder ähnlichen unüberwindbaren Hindernissen.
Es nützt kein Schimpfen, Schreien, Nachrennen.
Wer klug ist, hat Nachsehen, dreht sich um und geht aus dem erwählten Zimmer oder .. nimmt eben keine Katze bei sich auf.

Nun, Mama und Mario sitzen also gebannt auf Marios Bett, zugedeckt und starren auf das hysterische Ding, das da mit erhobenem Schwanz sein Unwesen treibt und zwischen Büchern, Computercassetten und Schreibtischutensilien herumwirbelt.

Plötzlich .. man kann es kaum glauben, erstarrt das Kätzchen, die Pupillen kommen auf Normalgröße zurück, der Schwanz senkt sich ein wenig und mit zufriedenem Gurren spaziert sie aufs Bett, wo die beiden Untermieter sitzen, schnuppert kurz an ihnen, legt sich in akrobatischer U-Form hin .. und schläft weiter.

* * *

Irgendwann, später dann, nachdem man die ganze Sache verdaut hat, schläft auch Mario wieder und Mama verlässt lächelnd das Zimmer. Die Katze hat das Kopfkissen beschlagnahmt. Mario schläft heute Nacht ohne.

* * *

Am nächsten Morgen steht man zu Dritt in der Küche und überlegt, was ein Kätzchen denn zum Frühstück frisst.
Fast könnte man es sich denken. Kuchen und Kakao wird gerecht geteilt, Kaffee bleibt zufällig der Mama alleine.

* * *

"Ja, so geht es mir gut. Schnurrrrr! Danke ihr Lieben. Die Wohnung ist auch in Ordnung. Und wenn ihr euch etwas bemüht, werden wir keine Schwierigkeiten miteinander haben."
Das Kätzchen schnurrte an Marios Wange und legte sich behaglich auf seinen Schoß.

"Mario, jetzt müssen wir uns aber endlich einen Namen ausdenken für die Katze" sagte die Mama und setzte eine nachdenkliche Miene auf. "Blacky, Schatzi, Mietzi .. was meinst du??" "Nein, das gefällt mir nicht. Mir gefällt Nicki, Jonny oder Arabella, Cinderella, na was meinst du?" Die Mama schüttelt den Kopf. "Nein, nein das geht nicht, stell dir vor, ich rufe ...Arabella, geh vom Vorhang runter, oder Cinderella, schmeiß nicht die Blumen vom Fenster .."
Wir benötigen etwas kurzes, etwas .. was hältst du von Chipsy ? das heißt Zigeuner und unsere Kleine war doch Zigeunerin. Ich finde, das passt. "Ja, das klingt lustig, Chipsy. Ja, das find ich gut." "Also abgemacht, ab jetzt heißt du Chipsy" sagte die Mama und beide blickten das kleine Fellbündel an.

Chipsy öffnete ein halbes Auge, brummte kurz zustimmend .. und schlief weiter.

* * *

Mit der Zeit gewöhnten sich die Drei richtig gut aneinander und man nahm Rücksicht .. auf die Katze.

So geschieht es öfter.. manche wissen gar nicht wie, aber plötzlich hat sich eine Katze ins Leben eingeschlichen - und bleibt da - so lange sie will.
 
T

Tom

Guest
Wirklich eine schöne Geschichte! :) Danke, dass Du sie hier mit uns teilst.. :thumb:

Liebe Grüße,
Tom
 
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