Die wichtigste Entscheidung meines Lebens

[hannibal]

liebe Leute,
ich schreibe mir jetzt einfach alles von der Seele, in der fast-Anonymität ist es leichter für mich.
Ich versuch mich kurz zu fassen:
Vor 16 Jahren habe ich meine Tochter verloren, in der 38.SSW wurde Trisomie 18 festgestellt durch eine Nabelschnurpunktion. Darauf wurde gleich die Geburt eingeleitet und auch gleich dazu gesagt, dass mein Baby die Geburt nicht überleben werde. Mein Flehen auf Kaiserschnitt wurde abgelehnt, Begründung: zu gefährlich für Mutter. Von Heulkrämpfen geplagt wurde ich unter starke Medikamente gesetzt, die Geburt nahm ihren Lauf, erschwerend war die Steißlage, ein Arzt drückte bei der letzten Presswehe sehr fest auf meinen Bauch, ein "Knacks" und meine Tochter war da, tot - ich wurde kurz ohnmächtig.
Als ich aufwachte, war mein Baby weg, ich konnte mich nicht verabschieden, nicht mehr sehen, gar nichts mehr. Hilflos und wie gelähmt verließ ich am nächsten Tag das KH. Wochen später wurde mir ein Obduktionsbericht geschickt mit: massive Schäden der inneren Organe und SCHÄDELFRAKTUR.
Mir ging es echt dreckig, versuchte mit der Zeit zu verdrängen, gelang mir auch zeitweise, meine Kinder, die danach gleich kamen, lenkten mich sehr viel ab und so ist auch schon vieles gut geworden. Trotzdem gibt es immer wieder Momente, wo ich traurig bin. Eine Leere umgibt mich dann, Schuldgefühle kommen, war ich damals zu schwach? Hätte ich mehr Druck gemacht bzgl. Kaiserschnitt, wäre mein Baby dann noch am Leben gewesen, wenn auch nur für kurze Zeit? Hat der Arzt absichtlich das Köpfchen zerdrückt um ja tot zu gebären? Ich konnte meine Tochter nicht mehr in meine Arme nehmen, sie nicht mehr drücken, streicheln, ihr leise ins Ohr flüstern, wie sehr ich sie liebe, so oder so nicht und das nagt an mir.
Heut hab ich einen Brief verfasst an das DokuZentrum, ich will alle Unterlagen und Bilder haben von meiner Tochter, ich will sie endlich sehen,an mein Herz drücken, ihr sagen, wie lieb ich sie hab, wenn auch nur per Foto. Meine Familie hat nicht sehr viel Verständnis dafür, mein Mann meint, 16 Jahre sind vorbei, er hat schon längst abgeschlossen, ich nicht, und jetzt werde ich das durchziehen, um meinen Frieden zu finden.
Den Brief hab ich heute mit zittriger Hand in den Postkasten geworfen, wird einige Wochen dauern, bis ich sie in den Händen halten darf.
Ich hoffe, ich nerv euch nicht mit meiner Geschichte, bin aber so aufgewühlt, dass ich mich nun gewagt habe, diese Entscheidung zu treffen und mir leichter ist, wenn ich schreiben kann und vielleicht hat der eine oder andere ähnliches erlebt, auch wenn ich im Katzenforum schreibe, schon irgendwie blöd.
Entschuldige mich, dass ihr da jetzt herhalten müsst.
lg

 

[Lady&Anubis]

Mir fehlen grad die Worte... Du Arme! Ich hatte zwar niemals so ein Erlebnis, versuche aber gerade mir vorzustellen, wie schrecklich daß für Dich sein muß.

Wünsch Dir all die Kraft, die Du brauchst um es verarbeiten zu können und natürlich um die lange Wartezeit zu überstehen...

Fühl Dich gedrückt!

Lg
Astrid (unbekannterweise)

 

[birgit1107]

Hallo,

es muss schrecklich sein mit so einer Erfahrung zu leben, und ich glaube richtig verarbeiten kann man das nie.

Ich wünsche dir dass du Fotos von deinem Baby bekommst, und deinen Frieden mit der Sache schliessen kannst.

Weiters wünsche ich dir viel viel Kraft, und ich denke deine Tochter ist in deinem Herzen immer mit dir und wacht über dich!

Bussale

Birgit

 

[bernstein]

arme hannibal :troest:

auch ich hab das noch nie erlebt - weiß also nicht was du druchgemacht hast aber mir stehen die tränen in den augen :cry:

auch ich wünsche dir so viel kraft, wie du brauchst um endlich abschließen zu können und drück dich ganz fest :drueck:

berni

 

[greekgirl]

ach hannibal, das ist eine ganz schlimme geschichte. und die trägst du nun schon seit 16jahren mit dir rum.
ich versteh dich, dass deine gedanken immer wieder um dein kleines mädchen kreisen und um den abschied, der dir verwehrt wurde.
das tut mir sehr leid für dich.
ich wünsche dir, dass du ein foto von deiner tochter bekommen wirst und dass
du dich von ihr verabschieden kannst, wenn auch nur per foto.
lass dich mal ganz fest drücken :drueck:

 

[Loona]

ach gott, du arme...das ist ja eine schreckliche geschichte!!! ich glaube, richtig nachvollziehen kann das keiner, der nicht zumindestens selber schon mal ein kind auf die welt gebracht hat...oder gar eines verloren hat! ich wünsche dir ganz viel kraft und hoffe, dass du vielleicht doch noch frieden finden kannst, wenn du die bilder in den händen hältst! aber vorwürfe brauchst du dir auf gar keinen fall machen!

fühl dich gedrückt! :troest2:

 

[emi]

Das ist wirklich schlimm...
ich finds auch schade, dass dich deine Familie nicht wirklich unterstützt!

Ich hoffe du kriegst die Fotos und kannst dich in aller Ruhe von deiner Tochter nach 16 Jahren verabschieden!

 

[Funky-Cat]

Liebe Hannibal!

Mir stehen die Tränen in den Augen und ich habe "Gänsehaut". :cry:

Fühl dich einmal ganz fest gedrückt! :troest:
Ich finde, dass du eine ganz tolle, starke Frau bist!
Ich weiß nicht, ob ich so eine Geburt schaffen würde, mit dem Wissen, wie es ausgehen wird.

Bitte "friss" deinen Kummer nicht in dich rein.
Das Katzenforum hilft dir bestimmt gerne, wenn du reden möchtest.

Sei deinem Mann nicht böse. Für ihn ist es sicher auch sehr, sehr schwer. Er hat nur vielleicht eine andere Art, damit um zu gehen, oder will es verdrängen!

Ich schick dir ganz viel Licht und Liebe!


L.G.

Funky-Cat

 

[Lovis]

Du hast für diese Entscheidung meinen vollsten Respekt!!!
Mir stehen vom puren lesen Tränen in den Augen und ICH kann dich sehr wohl verstehen. Ein solches erlebnis ist so prägend. Das dein Mann es bereits verarbeitet hat, ist ok. Ich persönlich glaube, dass es ihm "leichter" (was heißt aber iegntlich schon leicht...) fiel, da er dem Kind nicht so lange Zeit so nah war.

Ich möchte das nicht weiter ausführen, da ich mir gut vorstellen kann, wieviel das alles in dir wieder hoch holt.

Ich persönlich denke, dass du eine sehr mutige Entscheidung getroffen hast. Soetwas kann nicht jeder und ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass es dir helfen wird, es zu verarbeiten, vielleicht so gar ein Stück weit abzuschließen.

Meine Mum hatte gleich zwei solcher erfahrungen machen müssen. Auch sie berichtet heute noch davon. Aber sie sagt sich und uns immer wieder, dass mein Bruder und ich sonst nicht da wären, dass wir ihr den Mut und die Kraft wieder gegeben haben, dass alles wenigstens zu akzeptieren.

Ich drücke dir so fest die daumen, dass es dir helfen wird. :kiss:

 

[sunkist]

Ich finde es richtig, wenn du dich jetzt richtig von deinem Kind verabschieden und für dich selbst Klarheit erlangen willst. Dass Menschen den Schmerz sehr unterschiedlich verarbeiten ist ja bekannt, du solltest deinem Mann aber keinen Vorwurf daraus machen - jeder hat seine Art mit solchen traumatischen Erfahrungen umzugehen.
Ich wünsche dir die notwendige Kraft und schicke dir eine virtuelle Umarmung :knuddel:

 

[Katrin08]

Hallo!!

Ich finde es sehr toll dass du dir die Unterlagen und Bilder schicken lassen möchtest! Ich wünsche es dir sehr, dass du diese Unterlagen, obwohl es schon 16 Jahre her ist, noch bekommen kannst, ohne widerstand des Krankenhauses!

Wünsche dir viel Kraft und alles Gute!

 

[Shari]

Ich fühle mit Dir.

Zwar hab ich kein Kind verloren aber selbst erst nach über 30 Jahren nachgeforscht wo und wie mein Vater starb. Es war für mich persönlich eine sehr schmerzhafte Situation, auch deshalb weil ich niemanden mehr habe den ich zu -ihm- befragen kann.

Wenn es Dir möglich ist, sieh zu dass Dir jemand zur Seite steht, der kompetent ist, und Dir dann eine emotionale Stütze ist.
Es wird nicht leichter werden vorerst.

Ich wünsche Dir, dass Du Kraft hast, es dann akezptierst kannst.

Alles Liebe

 

[birdy]

Liebe hannibal
Ich kann dich sehr gut verstehen und weiß so ungefähr wie du dich fühlst.
Wenige tage nach unserem 16. geburtstag ist meine schwester (wir waren eineiige zwillinge) tragisch ums leben gekommen. Damals war ich auch ziemlich neben der spur, hatte echte probleme und wollte auch sterben, ich war sowas von alleine das kann sich kein mensch vorstellen. Ein teil von mir war einfach weg und diese einsamkeit und sehnsucht wird immer in mir sein bis wir uns wiedersehn, daran glaube ich ganz fest.
Liebe hannibal ich wünsche dir von ganzen herzen dass du ruhe und freiden findest. Vielleicht kannst du dich ja schon einmal in einem gespräch mit einer kompetenten person auf das was auf dich zukommt vorbereiten.
Fühl dich gedrückt :knuddel:

 

[Sunshine]

Da find ich kaum Worte, bin ja selber erst grade Mutter geworden und kann mir deine Gefühle und deine Trauer kaum vorstellen :cry:

Ich wünsche dir sehr, dass auf deinen Brief reagiert wird, du ein Foto oder mehr Infos dazu erhältst und so deinen Frieden finden kannst - ich verstehe deine Einstellung.

Ich glaube auch dass es schlimm war WIE mit dir und dem Baby damals umgegangen wurde, denn das Ausmaß an Traurigkeit hätte zumindest verhindert/gemildert werden können

 

[snaddl]

hmmm... glaub mir männer trauern auch, nur würden die meisten es nie so zeigen und drücken die gefühle von sich

rede in ruhe mit deinem mann und beschreib wie es dir geht und dann wird er dich sicherlich unterstützen.

schön das du trotzdem noch ein kind bekommen hast und das es gesund ist

ich glaub so ein erlebnis wird man nie ganz vergessen aber die zeit heilt alle wunden - ich beneide dich um deine stärke und wünsch dir alles gute und viel kraft :kuss:

 

[kitten]

liebe hannibal :knuddel:

ich versteh das gut, möchte aber hier nicht so ganz darauf eingehen ....

ich hab persönlich eine erfahrung gemacht, die ich nie vergessen werde, und 3 einhalb jahre im akh an der gynäkologie gearbeitet, die akten der babies, wo die geburt wegen behinderung eingeleitet wurde täglich am tisch gehabt, und somit auch die fotos dieser babies gesehen....

wenn du reden willst, schreib mir ne pm- wir können schreiben, mal telefonieren, oder auf einen kaffee gehen, wie du möchtest

fühl dich gedrückt, und auch verstanden, du bist mit solchen gefühlen nicht alleine, nur die wenigsten sprechen über diese dinge

 

[Delphinchen]

Du hast meinen großen Respekt, davor dass du diese Geburt geschafft hast und vor allem jetzt diesen wichtigen Schritt machst - da gehört sicher eine Portion Mut dazu !
Und vor allem mein herzliches Beileid um deine Tochter - es ist egal wie viele Jahre dazwischen sind, in deinem Herzen wird sie immer dein Sternenkind sein.

 

[hannibal]

Danke für euren Zuspruch, 16 Jahre hab ich in mir reingefressen, die Starke gespielt, nicht zeigen wollen-können, wie es in mir wirklich aussieht. Bin gelobt worden für meine Stärke, selbst mein Mann hatte bis gestern abend diesen Eindruck. Ich hatte wohl des öfteren ansatzweise angekündigt, dass ich mir die Unterlagen holen möchte, jedesmal aber hat er abgeraten, gemeint, es ist vorbei, ich kann da nichts mehr rückgängig machen, es ist abgeschlossen. Habe deshalb auch nicht mehr weiter gehandelt, war verunsichert. Das letzte Jahr träumte ich wieder sehr viel, meine Gedanken kreisten rum, am 27.1. war der 16. Geb.-und Todestag meiner Tochter und da packte es mich, ich will abschließen, dieses Loch in meinem Leben etwas verkleinern. Gestern früh rief ich im Doku-Zentrum an, alle Unterlagen sind noch da und mir wird alles in einigen Wochen zugeschickt. Ich bin selbst ein wenig stolz auf mich, diesen Schritt getan zu haben, ganz alleine, nur für mich.
Mit meinem Mann hab ich dann gestern abends doch noch darüber gesprochen, er war zuerst entzetzt, doch als er mitbekommen hat, wie es bei mir drinnen aussieht, hat er großes Verständnis gezeigt, er wusste nichts von meinen Gefühlen. Meine Schwäche ist ja, dass ich immer alles Negative alleine bewältige, so wollte ich damals schon nicht, dass mein Mann bei dieser traurigen Geburt dabei ist, vielleicht auch, um ihn zu schonen, völlig auf mich vergessen, dann auch noch das Pech haben, dass die falschen Ärzte Dienst hatten, unmenschlich und hart, die Hebamme völlig überfordert mit der Situation.
Er möchte nicht die Bilder sehen, hat Angst, ich respektiere vollkommen, er hat eine andere Bewältigung gefunden.
Ich habe mich überwunden, diesen Schritt getan, alles ist wieder ziemlich frisch für mich, so als ob es erst gewesen wär. Die Schutzmauer, die ich um mich aufgebaut habe bricht ziemlich nieder, da merke ich schon, dass diese Mauer sehr haltlos war/ist und ich endlich zulassen darf, dass sie einbricht. Ich werde was neues aufbauen, das besser tragen kann, davon bin ich überzeugt, wenn es auch anfänglich sehr schmerzen wird, aber da kommt eh schon wieder die Starke durch, ich schaff es. Nur so kann ich mein Baby gehen lassen.
Danke für euer Verständnis

 

[Cello]

vielleicht kannst du es jetzt doch endlich bewältigen :knuddel:

 

[hannibal]

Hallo,
ich meld mich zurück.

Gestern lag im Postkasten der Umschlag vom AKH. Ich war sehr gefasst und hab das Kuvert vorsichtig geöffnet. Die Bilder waren unterhalb der Befundbriefe angeheftet. Vorsichtig hab ich mich Stück für Stück an die Bilder vorgearbeitet, bis ich sie ganz aufgedeckt habe.
Ich bin froh, dass sie da sind. Mein Baby liegt ganz entspannt und wunderschön auf einem weißen Tuch, das Köpfchen liegt auf ihren linken Arm, so als würde sie ganz ruhig schlafen. Die Augen sind geschlossen, sie ist so wunderschön, sie sieht überhaupt nicht behindert aus. Sie hat viele blonde Haare und ich finde, sie sieht wie der Papa aus. Ich werde die Bilder behalten als Andenken, ich weiß jetzt, wie sie ausgesehen hat und beruhigend für mich ist jetzt die Tatsache, dass sie wirklich völlig entspannt wirkt, so als ob sie einfach eingeschlafen wäre, ohne Schmerz.
Die Befunde werde ich mir noch von einem befreundeten Arzt genau übersetzen lassen, denn ich verstehe nur die Hälfte, und diese sagt mir schon, dass meine Tochter, falls sie noch eine kurze Lebenszeit gehabt hätte, mit großen Schmerzen verbunden gewesen wäre. Geboren um zu leiden, der Gedanke ist grausam, so durfte sie in mir einschlafen und die kalte Welt mit Schmerz ist ihr erspart geblieben, das ist für mich beruhigend. Jetzt kann ich besser damit umgehen, die Bilder meiner Tochter helfen mir dabei.
Danke für euer Gehör
lg